Nach erfolgloser Fristansetzung kündigte die Klägerin am 22. Juli 1992 das Mietverhältnis mit der Beklagten gestützt auf Art. 257 d OR (Zahlungsrückstand des Mieters). Das Ausweisungsgesuch der Klägerin hiess der Amtsgerichtspräsident am 16. Oktober 1992 gut. Mit Rekurs vom 29. 0ktober 1992 verlangte die Beklagte die Aufhebung des Entscheids. Zur Begründung liess sie ausführen, der Gemeinderat X. habe innert der 30tägigen Zahlungsfrist eine mündliche Garantieerklärung abgegeben, dass der Mietzins auf jeden Fall bis Oktober 1992 (inkl. dem rückständigen Mietzins für den Monat Juni 1992) weiterhin von der Gemeinde übernommen werde. Das sei am 17. Juli 1992 schriftlich bestätigt worden. Die Kündigung verstosse deshalb im Sinne von Art. 271 OR gegen Treu und Glauben, sei rechtsmissbräuchlich und damit anfechtbar. Das Ausweisungsgesuch sei nicht liquid.
Das Obergericht wies den Rekurs mit folgender Begründung ab:
Ist der Mieter nach Übernahme der Mietsache mit der Bezahlung fälliger Mietzinse Nebenkosten im Rückstand, so kann ihm der Vermieter schriftlich eine Zahlungsfrist setzen und ihm androhen, dass bei unbenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde. Diese Frist beträgt bei Wohnräumen mindestens 30 Tage (Art. 257 d Abs. 1 OR). Bezahlt der Mieter innert der gesetzten Frist nicht, so kann der Vermieter bei Wohnräumen mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats kündigen (Art. 257 d Abs. 2 OR).
a) Es steht unbestritten fest, dass die Klägerin sämtliche in Art. 257 d Abs.1 OR gesetzlich vorgeschriebenen Formen und Fristen sowie die Kündigungsformalitäten eingehalten hat. Tatsache ist weiter, dass die Beklagte den Mietzins für den Monat Juni 1992 innert der von der Klägerin angesetzten 30tägigen Frist nicht beglichen hat. Sämtliche Voraussetzungen gemäss Art. 257 d Abs. 1 OR sind damit erfüllt. Daran vermag auch die Behauptung der Beklagten nichts zu ändern, der Sozialvorsteher der Gemeinde X. habe noch vor Ablauf der 30tägigen Frist gegenüber der Klägerin eine mündliche Zahlungsgarantie abgegeben. Selbstverständlich muss sich ein Vermieter, der Anspruch auf Bezahlung des Mietzinses hat, nicht mit einem blossen Zahlungsversprechen begnügen. Es ist ihm daher ohne weiteres freigestellt, eine diesbezügliche Offerte des Mieters auszuschlagen.
b) Bei dieser Sachlage muss die Kündigung der Klägerin vom 22. Juli 1992 grundsätzlich als zulässig erachtet werden. Zu Recht verweist die Vorinstanz in diesem Zusammenhang auf den SVIT-Kommentar Mietrecht (Zürich 1991, N 12ff. zu Art. 271 OR). Auch Eiholzer (in: SJZ 88 [1992] S. 326) stellt mit überzeugender Begründung fest, dass bei einer wegen Zahlungsverzugs vorgenommenen Kündigung gemäss Art. 257d OR jede Anfechtbarkeit im Sinne von Art. 271 OR entfällt. Die Berufung auf Art. 271 OR geht somit fehl.
c) Es bleibt aber die Möglichkeit bestehen, dass sich eine solche Kündigung als rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB entpuppen könnte. Die Frage des Rechtsmissbrauchs hat der Richter von Amtes wegen zu prüfen. Bei widersprüchlichem Verhalten liegt ein Verstoss gegen Treu und Glauben vor, wenn durch das frühere Verhalten bei einem Partner schutzwürdiges Vertrauen begründet worden ist, das diesen zu Handlungen veranlasst hat, die ihm angesichts der neuen Situation nunmehr zum Schaden gereichen (BGE 110 II 498, 106 II 323).
Im vorliegenden Fall behauptet die Beklagte nicht, die Klägerin habe sich mit der mündlich abgegebenen Garantieerklärung des Sozialvorstehers X., die nachfolgend schriftlich bestätigt wurde, zufrieden gegeben. Auch aus den Akten ergeben sich keinerlei Hinweise in dieser Richtung. Die Beklagte durfte daher nicht annehmen, die in Aussicht gestellte Zahlung durch die Gemeinde X. verhindere die bereits angedrohte Kündigung. Selbst wenn man in casu davon ausgehen könnte, das erwähnte mündliche Zahlungsversprechen sei noch innert der 30tägigen Frist erfolgt, kann demnach der Klägerin kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden.